Die traurige Geschichte der wunderschönen Poppins

Berlin, 18. 08. 2024

Leider musste ich mich auf dieser Seite von der wundervollen Poppins-Schriftart trennen, da mir alle nicht-alphanumerischen Zeichen Augen­krebs erzeugten. (Wenn ihr euch nicht so sehr mit Typographie befasst, bekommt ihr davon vermutlich nur leichte Kopfschmerzen oder ein Zucken über der Oberlippe.)

Das ist sehr schade, denn ansonsten ist Poppins mit der hohen x-Höhe (Größe der kleinen Buchstaben) und der großen Laufweite (wie breit die Wörter erscheinen), phantastisch zum Lesen am Bildschirm. Das Schriftbild ist ruhig und die Wörter sind voneinander unterscheidbar, sogar, wenn sie klitze-, klitzeklein sind.

Was war denn nun so schlimm?

Es begann mit Klammern, runden und eckigen, die sich nicht an der x-Höhe orientierten, sondern wie Monumente in den Himmel ragten. Angesichts der Scheu dieser typographischen Spezies war dies noch verschmerzbar, exponieren jene sich nicht auf jeder Absatzlichtung wie zum Beispiel gewisse Ausuferungs­zeichen.

Aber dann dies: Strichlängen wie aus einem Horrorfilm! Und Bindestriche gibt es schon bedeutend mehr auf dieser Welt. Dabei haben wir doch in Der Herr der Striche – Die Gevierten die drei wichtigsten Mitglieder derer kennen­gelernt:

Da gibt es die große Schwester »—«, den Geviert­strich (Dank Nicht-Poppins hier nun korrekt dargestellt), der im Englischen als Gedanken­strich verwendet wird. Der mittlere Bruder »–«, der Halbgeviert­strich oder auch unser Gedanken­strich, wird uns häufig dann serviert, wenn wir irgendwo Leerzeichen-Bindestrich-Leerzeichen tippen. Und dann ist da das Nest­häkchen »-«, der Viertel­geviert­strich, hauptberuflich Bindestrich, unser aller Liebling. Ein kleiner Kraftprotz, der dafür sorgt, dass Worthälften zusammen­gehalten werden und sich nicht zu weit voneinander entfernen.

Und hier kommt der unleserliche Aspekt der Poppins ins Spiel: Bindestriche, die so lang sind, dass ganze Haupt­überschriften zwischen den Teilen eines zusammen­gehörenden Begriffs durchpassen. Und das wollte ich mir und euch nicht weiter antun! (Schlau, wie ihr seid, habt ihr gewiss schon mitbekommen, dass die Längen dieser Geschwister alle in Grundschul-mathematischem Zusammenhang miteinander stehen. Und das haben unsere Hirne beim Lesen von unzähligen Büchern und anderen Texten tief verinnerlicht.)

Gut. -e Nacht.

Screenshot-Battle Poppins vs. Mulish

Screenshot des Absatzes mit den Geschwistern mit Poppins als Schriftart
Poppins: Klammern und Striche sind nicht um die x-Höhe zentriert. Deutlich zu sehen bei den Strichen in spitzen Anführungszeichen. Dieser Offset und die Länge der Bindestriche weicht zum Beispiel die Geschlossenheit der Komposition »Leerzeichen-Bindestrich-Leerzeichen« auf.
Screenshot des Absatzes mit den Geschwistern mit Poppins-Nachfolger Mulish
Mulish, mein Poppins-Nachfolger. Striche und x-Höhe bleiben zentriert. Das Auge muss nicht springen, weil alles wie an einer Perlenschnur in einer Linie ist.